Originäre Apple Watch Sport im Test
Uhr
Rainer Schuldt
Christian Hensen
Christian Just
Michael Link
Die Zeit der Streicheltests ist vorbei. Wie gut ist die Apple Watch der ersten Stunde wirklich? COMPUTER BILD hat die Sport-Version getestet. Mit teils dramatischen Ergebnissen.
Testfazit
Testnote
3,0
befriedigend
Die Apple Watch bietet einige Innovationen und clevere Alltagstricks. Und speziell bei Apps leistet sie mehr als die Android-Wear-Konkurrenz. Ausgerechnet bei der Bedienung verwirrt Apple die Besitzer mit einer Vielzahl von Bedienvarianten. Zudem ist die Akkulaufzeit, wie bei den meisten Smartwatches, viel zu kurz. Und ohne gekoppeltes iPhone ist die Apple Watch sehr dumm. Dann kann sie nicht mehr als eine Uhr vom Grabbeltisch. Die Testnote bezieht sich auf das System watchOS 2. (Im Zuge der Anpassung des Testverfahrens in Ausgabe 15 / 2018 hat sich die Note von 3,39 auf 3,0 geändert.)
Pro
- Innovative Krone
- Sehr gute Verarbeitung
- Gutes Display
- Leistungsfähige Apps
Kontra
- Sehr kurze Akkulaufzeit
- Zu komplexe Bedienung
- Langsame Funkverbindung zum iPhone
- Ohne gekoppeltes Handy wenig hilfreich
- Teuer
Die
Apple Watch, die beste Smartwatch der Welt? Oder nur ein teures Spielzeug am Handgelenk? Im Streit darüber schlagen die Emotionen hoch. Da helfen nur Fakten und ein unabhängiger Test: Von Apple selbst gab es für COMPUTER BILD kein Testgerät. Daher hat die Redaktion die Apple Watch auf eigene Faust in der Boutique „
The Corner“ in Berlin in der beliebten Sport-Variante gekauft und durch den Standard-Testparcours geschickt. Das Ergebnis lesen Sie nach den aktuellen Meldungen.
Ergänzung: Eine Übersicht aller Apple Watch Modelle finden Sie im Apple-Watch-Vergleich.
Design und Tragekomfort
Die Uhr kommt in verschiedenen Varianten und Farben und lässt sich mit diversen Armbändern kombinieren. Sie ist angenehm zu tragen, leicht und behindert nicht. Auffällig: Die Apple Watch ist deutlich kleiner als andere Smartwatches, selbst in der größeren hier getesteten 42-Millimeter-Variante (als Apple Watch Sport ab 399 Euro). Alternativ gibt es auch eine 38-Millimeter-Variante mit kleinerem Display, die in Größe eher klassischen Damen-Armbanduhren ähnelt. Das Gehäuse der Apple Watch Sport ist aus Aluminium, das Glas aus Aluminiumsilikat. Erst die teurere Apple Watch (mit 42 Millimeter ab 699 Euro) bietet härteres Saphir-Glas und ein Edelstahlgehäuse.
Die Einrichtung: Geduld gefragt
Die Einrichtung ist nicht ganz so einfach, wie man es von Apple kennt. Das fängt damit an, dass man ein neueres iPhone benötigt, mindestens das iPhone 5 mit iOS 8.2. Dabei muss man mehrere Schritte durchlaufen, inklusive iCloud-Anmeldung. Das gelang im Test erst nach einigen Anläufen. Ist die Uhr erfolgreich mit dem iPhone gekoppelt, müssen erst sämtliche Apps vom iPhone an die Uhr gefunkt werden. Und das dauert ...
Nicht Apple-like: Die Bedienung
In der Bedienung unterscheidet sich die Apple Watch vom Rest. Und zwar durch eine Erfindung, die schon vor mehr als 100 Jahren an jeder Taschenuhr zu finden war: die Krone. Durch drehen blättert man durch Menüs, zoomt in Fotos, wechselt per Doppeldruck zwischen Apps, kommt mit einem Druck auf den Startbildschirm oder startet mit sehr langem Druck die Sprachsteuerung Siri. Der Vorteil dieses Konzepts: Bedient man die Watch über die Krone, bleibt der gesamte Screen sichtbar.
Eine weitere Besonderheit ist der Force Touch: Ähnlich wie bei den neuen MacBook-Modellen kann man durch langes Drücken je nach App kontextabhängige Sonderfunktionen aufrufen, ähnlich wie bei der von Apple bei Computern lange verachteten zweiten Maustaste. Außerdem gibt es eine Taste, mit der sich Lieblingskontakte aufrufen lassen. Innovativ: In manchen Situationen, etwa bei eingehenden Mails, gibt die Uhr eine sanfte Meldung via Vibration auf dem Handgelenk (Taptic Engine) aus. Ingesamt gab es für den Bedienkomfort keine gute Note: In der Watch stecken zwar viele gute Ideen, dennoch erreicht sie nicht die Einfachheit anderer Apple-Produkte. Ungeübte Nutzer sind angesichts der vielen Bedienkonzepte überfordert: Wann muss ich von unten nach oben wischen? Wann seitwärts? Und wann muss ich drücken? Ergebnis: Mit der Bedien-Note 2,88 schneidet Apple schlechter ab als die meisten Smartwatches der Konkurrenz.
Apple Watch Live-Test: Das Unboxing der Sport-Watch
Foto: Computer Bild
Was kann die Apple Watch ohne iPhone?
Ohne iPhone kann die Apple Watch nicht wirklich viel: Zwar gibt es mittlerweile schon mehrere Tausend Apps, die man auf der Uhr installieren kann, aber bislang laufen vom Anwender installierte Apps nur dann rund, wenn das iPhone in Funkreichweite ist. Der Grund: Die eigentlichen Funktionen laufen meist auf dem iPhone ab, die Uhr dient nur zur Ein- und Ausgabe von Informationen. Und auch die von Apple vorgegebenen Grundfunktionen sind ohne iPhone oft wertlos. So zeigt der Kalender immer nur den aktuellen Monat an. Navigation funktioniert nicht, weil die Uhr selbst kein eigenes GPS hat. Und die meisten Zusatz-Apps laufen ohne iPhone nicht. Musik kann man auch ohne iPhone hören, muss sie aber vorher auf die Uhr übertragen. Der Haken: Ohne eingestecktes Ladekabel startet die Übertragung nicht. Immerhin: Die Funktionen rund um die Zeitanzeige sind üppig. Nur dank der guten Uhr-Funktionen gab es im Test für die Nutzung ohne Handy noch ein „ausreichend“ (Note 3,66).
Taugt die Apple Watch als Fitnessuhr?
Ja. Alle Grundfunktionen eines Fitness-Trackers stehen zur Verfügung, es werden Schritte gezählt, verbrauchte Kalorien errechnet und verschiedene Sportarten stehen zur Verfügung. Außerdem ist ein Pulsmesser eingebaut. Im Test fiel auf, dass dieser zu Beginn der Messung oft unrealistisch niedrige Werte (unter 40) ausspuckte. Nach einiger Zeit pendelten sich die Werte ein. Allerdings gibt es einige Einschränkungen: So ist eine genauere Streckenerfassung etwa beim Fahrradfahren ohne gekoppeltes iPhone nicht möglich: Die Watch hat kein GPS, nutzt bei Bedarf das GPS im iPhone. Schlechte Nachrichten gibt es für Tattoo-Fans, die ihren Unterarm verziert haben: Wie COMPUTER BILD im Tattoogate-Selbstversuch belegte, versagt der Pulsmesser, wenn die Uhr auf einem dunklen Tattoo auf dem Arm sitzt.
Was kann die Apple Watch mit gekoppeltem iPhone?
Erst im Duo mit dem iPhone ergibt die Uhr Sinn: Dass eine Smartwatch das Wetter, Termine, E-Mails und mehr anzeigt, ist bekannt. Doch die Apple Watch kann mehr: So dient sie in Kombination mit dem iPhone in der Tasche als vollwertiges Navi am Handgelenk. Und als Freisprech-Telefon: Nimmt man einen Anruf auf der Uhr an, spricht man in die Uhr. Der Klang überzeugt dabei nicht ganz. Per Tipp aufs iPhone kann man aber das Gespräch nahtlos auf dem Handy weiterführen. Die Uhr dient auch als Fernbedienung für das iPhone, etwa für die Musikwiedergabe. Spaß macht die Fernbedienung der Kamera im iPhone, das Display der Watch dient dabei auch als Sucher. Eine eigene Kamera hat die Apple Watch nicht. Und obwohl Siri zur Spracherkennung funktioniert, kann man E-Mails zwar auf der Uhr lesen, markieren und löschen, zum Antworten aber muss man das iPhone zur Hand nehmen.
Wie robust ist die Uhr?
Die Verarbeitung ist sehr gut. Dennoch droht Ungemach: Einige Anwender der teureren Apple-Watch-Variante mit Edelstahlgehäuse entdeckten schon nach einigen Tagen deutliche Kratzer, wie sich in der Meldung zu Scratchgate nachlesen lässt. Im Test ließ sich auch die Apple Watch Sport mit einer Pinzette verkratzen. Doch fielen die Kratzer auf der matten Oberfläche kaum auf. Das Mineralglas (Ion-X) der Apple Watch Sport erwies sich im Test als ähnlich kratzfest wie Gorilla Glas auf Smartphones. Die Uhr ist wasserdicht nach IPX7 (30 Minuten bis ein Meter Wassertiefe). Im Test überlebte die Uhr eine Lagerung bei minus 18 Grad im Tiefkühlfach. Bei 45 Grad im Backofen schaltete sie in den Notfallmodus, lief danach aber noch.
Akku-Drama, auch beim iPhone!
Im Standard-Testparcours hielt der Akku 20 Stunden durch, bei Intensiv-Nutzung war er nach knapp sechs Stunden halb leer. Allein das Aufladen dauert fast drei Stunden (2:50 h). Allabendliches Nachladen ist also Pflicht. Schock im Test: Als Nebeneffekt der intensiven Testabläufe war auch das iPhone ruck, zuck leer. Bei Nachmessungen zeigte sich: Schon durch die normale Kopplung verliert das iPhone schnell an Saft. Innerhalb von 28 Minuten normaler Stand-by-Nutzung (eingehende Mails, keine aktive Nutzung) waren es bereits 4 Prozent. Ein iPhone ohne gekoppelte Watch verlor im Vergleich kein einziges Prozent. Ärgerlich: Zum Laden der Apple Watch benötigt man eine spezielle Ladeschale. Die allerdings ist clever gebaut: Sie dockt via Magnetkraft an der Uhr an. Die eigentliche Ladung erfolgt per Induktion.
Apple Watch: 50 Apps im Überblick
Foto: Flying Code Ltd
Wie läuft die Uhr im Alltag?
An einigen Stellen merkt man, dass Hard- und Software offenbar noch nicht ganz ausgereift sind. Wer sich nicht auf die normalen Benachrichtungen beschränkt, wird schnell genervt sein von den Wartezeiten: Immer, wenn Daten zwischen Uhr und iPhone ausgetauscht werden müssen, wird das Ganze langsam. Unklar ist, ob Apple hier per Software nachbessern kann oder erst die Apple Watch 2 Besserung bringt. Im Test gab es mehrere Abstürze und es hakte teils bei der Verbindung zu Bluetooth-Kopfhörern. Die Synchronisation der Musiksammlung funktionierte nicht zuverlässig. Auch die Programmierer reizen die Apple Watch noch nicht voll aus: So gibt es bereits viele gut gemachte Apps, etwa Evernote oder Weather Pro. Doch News-Apps zeigen derweil noch sinnlose Informationen an.
Kaufen und anprobieren: So klappt es
Wer die Apple Watch kaufen möchte und im Berliner Modeshop nicht zum Zuge gekommen ist, muss weiterhin online sein Glück versuchen – bis Juni wird es die Smartwatch nicht in den Apple Stores geben. Vor dem Kauf können Interessenten die Apple Watch in den offiziellen Apple Stores allerdings anschauen. Ein Umbinden und kurzzeitiges Tragen am Handgelenk ist aber nur möglich, wenn man sich einen Termin für eine Vorführung reserviert. Hierzu benötigen Sie eine
Apple-ID, bestehend aus E-Mail-Adresse und Passwort. Sind Sie Besitzer von iPhone, iPad oder Nutzer des iTunes Store, loggen Sie sich im
Online-Store von Applemit der ID ein und wählen dort die Apple Watch, die Sie bevorzugen. Klicken Sie dann in Ihrem Konto auf „
Favoriten“ und vereinbaren Sie einen Termin in einem Apple Store. Kurze Zeit später erhalten Sie eine Bestätigung per Mail.
Apple Watch: Preise
Die Apple Watch Sport kostet im 38-Millimeter-Gehäuse 349 Euro, die 42-Millimeter-Variante 399 Euro. Die Apple Watch aus Edelstahl ist deutlich teurer, kostet je nach Auswahl des Armbandes zwischen 649 und 1.249 Euro. Die goldene Apple Watch Edition geht nicht für weniger als 11.000 Euro über die Ladentheke.